Mozartkugeln in der Deutschen Bahn

Die erste Durchsage gab es gerade mal fünf Minuten, nachdem ich eingestiegen war. Zug stand noch. In schmerzhaft gebrochenem Deutsch quälte sich ein junger Mann duch die Ansage, dass es noch einige Minuten dauern würde, bis wir abfahren. Die zweite kam dann kurz nach Abfahrt. Ein Baum sei auf den Gleisen. Die Weiterfahrt verzögere sich.

Wir standen inzwischen aber irgendwo in der Pampa, nur eine elende kleine Tankstelle gegenüber der schimmeligen Bauruine, die man dortzulande einen Bahnhof schimpft. Da wollte sich der Lokführer etwas beliebter machen und kündigte an, es seien noch 15 Minuten bis Abfahrt. Man könne gern kurz aussteigen. Er würde niemanden vergessen.

Tatsächlich waren alle sichtlich aufgeheitert, und mir kamen Bedenken, den armen Mann nur wegen mangelnder Sprachkenntnisse für einen schlechten Ansager gehalten zu haben. Vielleicht konnte er das durch Zuvorkommen und Humor ja ausgleichen.

Nach kurzer Debatte beschlossen die beiden Backpacker-Mädels neben mir, dass eine von Ihnen kurz zur Tankstelle stiefelt, um Mozartkugeln zu kaufen. Es sind keine sieben Minuten vergangen und Sie ist gerade auf dem Rückweg, da piepst es fröhlich aus den zuginternen Lautsprechern und der Blechwurm rollt los. Fassungslos starren sich die Backpackerinnen durch das regenverschmierte Seitenfenster an. Im Augenwinkel sehe ich eine Packung Mozartkugeln still zu Boden fallen.

Sofort stürmt die im Zug Hinterbliebene nach vorne in Richtung Fahrer, kommt jedoch nach einigen Minuten erfolglos zurück. Fast schon lustig wäre das, meint sie. Finde ich irgendwie gar nicht. Am nächsten Bahnhof schleift sie zwei mannsgroße Säcke aus dem Zug, die offenbar mit Backsteinen gefüllt sind. Zurückfahren will sie, um Ihre Kollegin abzuholen.

Würde mich natürlich alles viel wütender machen, wenn ich direkt betroffen gewesen wäre. Ich hätte aber vermutlich auch einfach die Notbremse gezogen und der hirnamputierten Dampfnudel von Lokführer ausführlich erklärt, was für ein Totalversager er ist, und da halte ich meinen Standpunkt für recht solide.

Liebe Deutsche Bahn. Erhöht doch Euer Anforderungsprofil dahingehend, dass Eure Mitarbeiter die eckige Form nicht immer wieder in die runde Öffnung schieben wollen. Nur so ein Gedanke.

Edward Snowdens Prism

Ich bezweifle, dass Stuttgarts Wutbürger wirklich alle vom neuen Bahnhof betroffen sein werden. Manche sind sicherlich einfach nur auf die Straße gegangen, weil sie genug hatten, weil sie es nicht mehr ertragen mochten. Ganz so geht es im Moment einer breiten Bevölkerungsschicht in Ägypten… zum zweiten Mal. Nur den Amerikanern, Briten und Franzosen geht es noch nicht wirklich so.

Dabei hat die westliche Welt nach den Enthüllungen Edward Snowdens doch allen Grund dazu. Effektiv leben wir in ܜberwachungsstaaten, die frühe Science Fiction Entwürfe noch übersteigen. Bevor die Kelle jetzt aber allzu grob wird: Totalitär sind unsere Demokratien nicht. Wir stehen den Science Fiction Visionen dann doch auch noch in einigen Dingen nach.

Dennoch haben wir fast 24 Stunden am Tag Smartphones, Tablets, Laptops, PC’s und Konsolen in unserer Nähe. Die meisten Geräte haben Internetzugang, Mikrofone und Kameras. Ob uns diese Geräte das Leben erleichtern, oder es im Endeffekt nur oberflächlicher machen und uns durchsichtiger, ist die Frage. Nichts desto Trotz haben wir uns so sehr aNetworkn diese Geräte gewöhnt. An die Datenkraken wie Google und Co. die mit diesen Geräten ins Haus fallen. Damit haben wir Überwachung nicht nur das Tor geöffnet sondern uns auch daran gewöhnt. Diese Art der Überwachung zeigt gern ihre nützlichen Seiten während die Schattenseiten nicht so offensichtlich sind.

Und so hat das viel beschworene Social Web, gehyptes Medium der Freiheit und des arabischen Frühlings vor allem eins erreicht. Es hat Geheimdiensten und Regierungen den Weg aus einer der schlimmsten Glaubwürdigkeits- und PR-krisen geebnet, die mit Snowden hätte angestoߟen werden können. Firmen wissen alles über uns, warum nicht auch die Geheimdienste. Aufpassen was wir sagen müssen wir ohnehin, können unbedacht hochgeladene Inhalte auf Facebook, Twitter und Co. doch einen negativen Eindruck auf (potentielle) Arbeitgeber machen.

Wir haben mit Prism etc. eben nicht die Zustände wie in Ągypten. Oder wie in Stuttgart einen physischen Stein des Anstoߟes. Wir sind alle direkt betroffen, teils bis in die intimsten Details. Doch merken tun wir davon im Alltag herzlich wenig wenn sich ein Geheimdienst unsere Skypeunterhaltungen vornimmt. Deswegen geht niemand auf die Straߟe. Kaum einer fühlt sich direkt betroffen und belästigt. Selbst wenn, von wem überhaupt? Es scheint kaum etwas greifbar zu sein.

Sollte uns das hindern? Nein, Regierungen die soetwas zulassen sind sehr wohl fassbar, zumindest beim Wählen. Enden wir mit Network: “I’m mad as hell and I’m not going to take this anymore!