Mein “Nachbar” ist gestorben. Daran kann ich nichts ändern, die Anführungszeichen sind es, die mich daran stören. Er hat nicht auf der gleichen Etage gewohnt, nur im gleichen Haus. Eigentlich nur eine Etage drunter. Da sollte man sich schon Mal über den Weg laufen denkt man. In den paar Jahren die ich nun hier wohne habe ich den Mensch kein einziges Mal gesehen, jedenfalls nicht bewusst. Das machte ihn zu meinem “Nachbar” anstatt das er mein Nachbar war. Einige in dem Haus in dem ich wohne sind “Nachbarn”. Da bin ich auch kein Einzelfall. In der Stadt lässt es sich leicht für sich leben, ohne andere Existenz allzu sehr zu streifen.
Der Mann der mein “Nachbar” war hat das zumindest einmal nicht gemacht. Er hat einen Unfall auf der Autobahn gesehen und ist nicht vorbeigezogen. Stattdessen hielt er auf dem Seitenstreifen und jemand rast ihm von hinten drauf, Ende. Und da wir so effizient aneinander vorbeigewohnt haben, weiß ich noch nicht mal wer sich da für einen anderen riskiert und verloren ging. Das Leben mag die besten Geschichten schreiben, aber es schreibt auch eine Menge Müll über die ich mich den ganzen Tag aufregen könnte. Könnte, wenn ich die Protagonisten kennen würde.