Empathische Aggression für nur 1 Euro 70

Mein örtlicher Bäcker hat ein Gebäck in sein Sortiment aufgenommen, dass zur Verbesserung zwischenmenschlicher Aggression Kommunikation beiträgt. Als ich heute vor der Theke stand, fiel mir das Schildchen auf: Maulschellen 1,70€.

Nach einem notgedrungen freundlichen Streitgespräch im Büro spielt sich demnächst überall in Deutschland folgende Unterhaltung ab:

A: “Hier”, überreicht eine Tüte vom Bäcker.
B: “Was ist das?”
A: “Das ist Gebäck. Es nennt sich Maulschelle und ich glaube du kannst jetzt eine davon vertragen.”
B: “Danke?”

Die Welt kann so einfach sein wenn man Süßes zu seinem Saurem mischt… und Rosinen mag.

Platzmangel in der Weltanschauung

Ich sitze hier gerade in der Straßenbahn. Irgendwie schon komisch, dass ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln am häufigsten von Gewaltfantasien heimgesucht werde. Ich sitze da also so auf einem Sitz und habe meinen Rucksack auf dem Sitz neben mir. Das wäre schon recht unhöflich, wenn die Straßenbahn zum bersten voll wäre und neben mir zwei Rentner über ihrem Gehwagen im Hitzekoma liegen würden. Tatsächlich ist die Bahn aber gähnend leer und mein Rucksack muss gar nicht dreckig werden.

Da watschelt so eine Erdkunde- und Biolehrerin auf mich zu, die schon mit drei Generationen Genverschleiß zu kämpfen hat. Gott bewahre, vielleicht ist sie sogar Kindergärtnerin oder Pflegerin, aber definitiv ist das jemand, der den Umgang mit ihren mündigen und erwachsenen Mitmenschen verlernt hat. Alt geworden ist sie in den 38 Jahren dröger Existenz. Trägt unter ihrer hässlichen Brille dieses weinerlich autoritäre Dauernörgeln, “iss deinen Teller auf”. Stets auf eine Gelegenheit aus, sich durch Banalitäten und Binsenweißheiten Respekt zu verschaffen. Über das ständige Scheitern dieser hoffnungslosen Strategie dann bitter und fett geworden, nie die eigene Inhaltlosigkeit reflektiert. Und das jetzt auch noch, zu allem Überfluss, bei mir in der Straßenbahn.

Sie deutet auf den Platz neben mir. Da möchte sie sitzen, statt meines Rucksacks. Sie hat entschieden, dass sie mir jetzt mal erklären muss, dass Menschen in der Straßenbahn nur einen Platz einzunehmen haben. Das muss sie aber gar nicht, sie könnte sich auch einfach auf einen freien Platz setzen und ihren Mitmenschen nicht zum Ärgernis werden. Sie sieht das natürlich anders, ich bin das (potentielle) Ärgernis. Sie ist zu engstirnig, um sich vorstellen zu können, dass man den Beutel einfach dann auf den Schoß nimmt, wenn die Bahn voll wird. Also belästigt sie mich jetzt mal lieber präventiv. Und sie glaubt auch noch, sie tut der Welt was gutes. Die Frau ist ein wandelnder Seuchenherd der Ignoranz. Aus bitterer Erfahrung weiß ich: Es hat keinen Zweck, ihr das zu erklären.

Ich stehe also auf mit meinem Rucksack, und setze mich auf einen anderen freien Doppelplatz. Sie schaut ein wenig konsterniert, denn diese Option war ihr wohl nicht vorher in den Sinn gekommen.
Sie sagt etwas zu einem anderen Fahrgast, um die Lächerlichkeit der Situation zu zerstreuen. Ich höre von dem dämlichen Gelaber zum Glück kein Wort, Keith Palmer erklärt mir etwas über Füchse, er ist sehr aufgeregt. Ich starre sie an, wütend und stumm mit dem Kopf schüttelnd. Sie versteht die Welt nicht mehr.

Addendum: Einige Stationen weiter, die Straßenbahn ist voll. Ich habe meinen Rucksack auf dem Schoß und belege ganz brav nur einen Sitz. Die Lehrerin ist leider schon vorher ausgestiegen und konnte so leider gar nichts daraus lernen. Hoffentlich hat sie keine Kinder.

Innen

Bäcker innen, Bäcker außen, Bäckerixe. Wären alle Bäcker außen, gäbe es keine Bäcker innen, und innen sind Bäcker am besten. Bäcker innen sind aber nicht umbedingt besser als Bäcker außen, deswegen sollte es eigentlich Bäcker innen/außen heißen, finde ich. Nur so eine Anregung, damit sich das fleischfaschistische Chovinistenregime der rechtsnormalen Bildungsschicht mal ein bisschen Gedanken macht über die Dinge, die wirklich wichtig sind.

iLeaked

Wir müssen mal über Pornografie und Starkult reden mein Sohn. Dieses Gespräch ist lange überfällig, fürchte ich.

Schau was Ende August passiert ist. Ein Hacker hat sich Zugang zu den Apple iCloud-Daten vieler berühmter Hollywoodstars verschafft, allen voran Jennifer Lawrence. Die ganzen intimen Handyschnappschüsse landeten natürlich auf zahlreichen einschlägigen Seiten (nein, ich linke die nicht mein Sohn) und werden dort auch bis zum Ende des Internets bleiben. So ist das nun mal heutzutage.

Da kann man jetzt gegen die bösen Hacker zeigefingern. Aber explizite Nacktbilder in die iCloud stellen ist ungefär eine so gute Idee wie die Haustür beim duschen aufstehen zu lassen. Die Cloud ist im Internet. Der Hacker hat die Bilder nicht dort reingestellt, das haben die Stars freiwllig getan. Der Hacker hat lediglich die äußerst Dünne Wand zwischen Cloud-Dienst und freier Zugänglichkeit eingerissen. Also Sohn, anzügliche Bilder gehören nicht in die Cloud, genau wie Bankdaten oder alles nicht frei zugängliche über deine Person. Schon gar nicht in eine Amerikanische. Denn da darf der Geheimdienst auch einfach Nacktbildchen anschauen, bei Terrorgefahr…

Und wenn du dir mal was Nacktes anschauen möchtest: Die Zeit der Modems und 2 Megapixelkameras sollten doch vorbei sein. Das Internet ist voller Videos, Pornos vor allem. Wirklich niemand sollte Fotos von Leuten benötigen, die unglaublich viel verdienen, um sich zu stimulieren. Was hier entblöst wird, sind eigentlich die unsicheren Seelen, die das Vorbild von Stars als Kompass brauchen.

Mehr Menschlichkeit für Menschen

Ich lief neulich durch die U-Bahn und wurde von diesem Plakat angeschrien:

Nina sonstwer brüllt für Tiere oder so

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Was für verblendete, heuchlerische, arrogante, selbstgerechte Idioten. Sitzen in unserem kleinen, sattgefressenen Land den ganzen Tag auf dem Arsch und wissen vor lauter Wohlbefinden gar nicht mehr, wohin mit all ihrem Mitleid. Macht doch mal eure verdammten Augen auf! Eure eigene Spezies hat genug Probleme.

Überall auf unserem Planeten tobt das menschliche Elend. Ich muss da gar nicht ins Detail gehen. Lest halt Zeitung. So oder so ist klar, von Menschlichkeit für Menschen sind wir noch weit entfernt. Also ganz egal, ob irgendwelche stinkenden Paarhufer nun genau so behandelt werden sollten wie eure Mitmenschen, vielleicht hat letzteres auf jeden Fall erst mal Priorität?

mccullin

Also nochmal zum Abschluss. Wenn ich nur einen von den beiden im folgenden Bild aus dem Kriesengebiet retten könnte, dann wäre es der kleine Junge, und nicht die süße Katze. Lieber Leser, wenn Dein erster Impuls beim Betrachten des Bildes davon abweicht —

Mohammad, 13 year-old fighter from the Free Syrian Army, plays with cat in Aleppo's Bustan al-Basha district

dann stimmt etwas nicht mit Dir.

Punkt 5

Der Tag hat schon schlecht angefangen:

  1. Montag.
  2. Um fünf Uhr aufgewacht und danach natürlich hellwach.
  3. Beim Frühstück merke ich, das die Müslipackung nur noch die Hälfte der empfohlenen Tagesration Lion Cereals enthält.
  4. Der Wasserstand der Milch ist noch deprimierender.
  5. Über mir brummt etwas.

Ok, Punkt 5 sollte ich vielleicht erläutern. Ich habe so eine IKEA-Papierlampe genau über dem Tisch hängen. Ich schaue also hoch und sehe eine Wespe durch und um die Lampe kreisen. Ihre nähe zur Lampe ist strategisch clever. Ich kann das Biest weder mit einer Zeitung klatschen, mit einem Glas fangen, noch mit Deo und Feuerzeug einäschern. Sonst wäre die Lampe kaputt, so einfach ist das.

Die Wespe hat hingegen freie Bahn mich beim ohnehin mäßig befriedigenden Frühstück mit Sturzflugfinten zu terrorisieren. Wespen und Spinnen schaffen das, mich unendlich zu terrorisieren. Den Krieg zu gewinnen heißt zu wissen wann die letzte Schlacht geschlagen wird, denke ich und ziehe mich zurück.

Mein Tag auf der Arbeit steigert das Unbehagen in neue Höhen. “Wir setzen uns heute Nachmittag mal zusammen wegen Thema XYZ.” Ein guter Rat von mir wenn dieser Satz fällt: Lasst alles fallen, geht aus dem Büro, verlasst unauffällig das Gebäude, bucht eine Schiffspassage und taucht in Mombasa unter.

Als ich dann schließlich entnervt und verschwitzt nach Hause kam, suchte ich die Wespe. Ich wollte sie erledigen und suchte lange. Schließlich habe ich einer düsteren Ecke eine Spinne entdeckt die eine Wespe in ihren Beinen hielt. Frisch eingesponnen, wie Fleisch in einer dieser weißen, aber doch ein wenig durchsichtigen Metzgereitüten.

Der Feind deines Feindes ist immer noch dein Feind. Aber wenn man sich raushält zerfleischen sie sich gegenseitg. Hätte ich mich bloß mal aus XYZ rausgehalten.

Die Melodie der Arbeit

Es gibt eine Menge kluge Köpfe auf der Welt. Viel mehr als wir alle glauben. Diese klugen Köpfe wurden einst von den Straßen, Schulen und Universitäten der Welt ins Arbeitsleben gedrückt. Mit Enthusiasmus und voller Tatendrang gingen sie ans Werk. Einige wenige haben sich nie von ihren Visionen abbringen lassen. Haben ihre ehrgeizigen Träume über alle Schwierigkeiten hinweg verwirklicht. Haben die Welt ein Stückchen besser gemacht.

Das sind die Handvoll Macher zu denen wir wehleidig aufschauen. Der Rest von uns ehemaligen Visionären singt nur mit. Kleingeistige Kollegen die hauptsächlich mit der Rettung ihres faulen Arsches beschäftigt sind. Vorgesetzte die My Way von Frank Sinatra erheblich zu ernst nehmen. Große Chefs deren Mut nicht mal über das Kleingeldfach der Firmenbrieftasche hinausgeht. Von dieser enggeistigen Kapelle wird jeden Morgen die Hymne der Arbeit gedröhnt.

Die cleveren Menschen wehren sich einige Zeit, wollen sich nicht verbiegen. Doch irgendwann stimmt man ein. Nicht weil es so besser wäre, geschweige denn akzeptabel funktionieren würde. Die Lüge von “der muss sich noch bei uns einleben” oder “der wird noch lernen wie wir hier arbeiten” kann diesen Leuten nichts vormachen. Aber letztendlich ist es einfach nur ein Abwägen zwischen Jahrzehnten Verzweiflung, Magenschmerzen, Ohrenpfeifen, Wut, Depressionen oder eben mitsingen.

Und so wird eingestimmt in die Kakophonie der Arschgeigen, wo Maestro Ego kurzsichtig mit dem Taktstock um sich schlägt.

Alle jammern über die Demographie, keiner tut was.

Ekelhaftes, überaltertes Deutschland. Überall husten und keuchen in Jack Wolfskin gekleidete Mohrleichen um die Wette. Ständig sind sie einem im Weg, langsam watschelnd, humpelnd oder elend über einen Gehwagen gebeugt. Über die Hälfte davon auch noch dement. Begreifen nicht mal, dass sie gerade so lange mit ihrem Körper den Weg zum Ausstieg blockiert haben, bis der ICE dann einfach weitergefahren ist. Und das wird als medizinischer Fortschritt gefeiert, ist doch abartig.

Die Ich-Perspektive

Zug hält, Menschen steigen aus, andere Menschen steigen ein. Aber es bleiben auch eine Menge stehen. Dort auf dem Vorstadtbahnsteig, an dem nur eine Regionallinie hält. Ein junger Student auf dem Sitz neben mir kommentiert diesen Akt des Stehenbleibens mit “Ey, warum steigen diese Idioten nicht ein.”

Alle anderen sind dumm, sie stehen Tag für Tag auf um zu dieser Vorstadthaltestelle zu fahren. Sie stellen sich auf die örtliche Betonzunge, die sich in die Wiesenlandschaft entrollt hat. Sie warten dort auf den Zug, den einen Zug in dem der Student sitzt der all das Wissen der Welt gepachtet hat.

“Was für ein schöner, intelligenter Mensch das doch ist”, sagen sie sich. Da können sie nicht einsteigen. Die Dummheit ist geblendet vom Licht der Erkenntnis. In unabgesprochener Koordination, die einem Mob dummer Menschen nur sehr selten zur Teil wird, verpassen sie ihren Zug. Sie besitzen nicht die mentale Kapazität sich darüber aufzuregen. Stattdessen steigen sie alle in den nächsten Zug in Gegenrichtung ein. Sie verlieren ihr Koordination als sie sich eine Station später am Hauptbahnhof aus den Türen ergießen.

Was für Idioten.

Hörmuscheln

Wenn ich unterwegs bin mit der Straßenbahn, auf dem Weg von und zur Arbeit, oder auch sonst, wenn der Weg länger als 6 Minuten dauert, höre ich ein Hörbuch. Mit Kopfhörern. Es ist ein schönes Hörbuch, ich höre es sehr gern.

Ich finde es allerdings befremdlich, dass ich ständig von Leuten wegen absolut belangloser Banalitäten angesprochen werde, obwohl ich ganz offenkundig Kopfhörer trage. Nur befremdlich finde ich das allerdings. Ich antworte dann immer mit dem Satz

“Ich kann Sie nicht hören wegen der Kopfhörer, einen Moment. Ich höre ein Hörbuch.”

Die wichtigen Informationen sind alle in diesem Satz enthalten. Ich kann Dich nicht hören. Ich kann die Kopfhörer nicht einfach entfernen, weil ich diesem Hörbuch lausche. Ich drücke gleich auf Pause, dann können wir reden. Zumindest ist es das, was ich zu sagen versuche. Was ich tatsächlich zu sagen scheine, ist

“Bitte reden Sie weiter auf mich ein. Es ist überhaupt kein Problem, mich auf Ihr schon akustisch schwer verständliches und vermutlich absolut irrelevantes Gefasel zu konzentrieren, während ich mein Hörbuch höre. Ihre Kleidung ist sehr stilvoll gewählt.”

Apokalyptische Springflut der Verachtung.