Fünf Dinge die ich an dir verabscheue

Notgedrungen muss ich mich zur Zeit beruflich mit Social Media-Marketing beschäftigen. Der Social Media Aspekt daran ist gar nicht schlimm. Sicherlich ist Social Media größtenteils Oberfläche. Das ist systemisch bei Diensten die darauf aufbauen, dass jeder mitmachen soll. Gerade deswegen ist Marketing im Social Media Bereich ja so wichtig.

Diese Marketingleute sind aber ihr ganz eigener Schlag Subwesen. Ich schätze es ist ein Stück weit als Berufskrankheit zu bezeichnen, wenn Content über das Social Media-Marketing selbst mehr

Marketing und weniger Content ist. Anstatt interessante Einsichten zu liefern, schreiben diese, gern mal selbsternannten Profis des Social Web Artikel wie “5 ways to increase your blog’s exposure” (Zu deutsch: “Warum niemand deinen Blerg liest”).

In solchen Artikeln wird Content immer als “King” bezeichnet. Dabei ist das hemdsärmelige Gesenfe doch selbst so weit vom King entfernt wie dessen

Denkt euch an dieser Stelle bitte ein Bild von einem kotzenden Hund. WordPress wollte aber nicht. Ich könnte kotzen. @Schlange: Reparier das nicht. Jeder darf das Elend sehen…

Schreiberlinge vom Profitum. Ich hätte gedacht diese Welle von “Ich habe hier eine Liste”-Artikeln ließe relativ schnell wieder nach. Stattdessen nimmt sie nur noch zu. Gibt es wirklich so viele Leute die noch nicht von den ewig gleichen Allgemeinplätzen genervt sind? Die sich gerade so und nur noch auf Listen konzentrieren können?

Den Vogel hat ein Artikel über “Big Data” im Bereich Social Media darnieder gelegt. Big Data ist eine, mit herkömmlichen Methoden, kaum zu bewältigende Datenflut. Stell dir vor du konsumierst Social Media komplett ungefiltert auf zehn Monitoren gleichzeitig, etwa so nur drastischer.

Der Artikel mit vielversprechendem Namen entwickelte sich in meinem Browser schnell zum ultimativen Listenalptraum. Ich fasse intelligent zusammen, da das Autor-Ding no

ch nicht mal schreiben konnte:
1. Wisse was du für Daten willst.
2. Hol dir Werkzeuge die die Daten beschaffen können. Tatsächlich kein Vorschlag welche Tools hier gemeint sind.
3. Arbeite zielstrebig an deinem Ziel.
4. NO SHIT SHERLOCK (<- Dieser Punkt ist von mir hinzugefügt)

Bitte, bitte bitte, nehmt Aufschneidern endlich den Webspace weg.

Die Kunst nicht zu reden

Das kommt jetzt vielleicht nicht überraschend, aber ich bin jemand dem Small Talk abgeht. Lange Zeit habe ich den Zweck dieser banalen und sinnlosen Beschallung von Hausfluren, Kaffeeküchen oder Büros nicht verstanden. Sicher, sicher, es ist uns Menschen unwohl wenn wir ganz Still sind. Doch das ist meiner Ansicht nach gewöhnungssache. Leider mag sich außer mir niemand daran gewöhnen, also blicke ich dem Feind ins Auge.

Ich habe letztens ein Video gesehen in dem jemand zum Thema Small Talk etwas sehr weises und wahres gesagt hat. Niemand mag Small Talk wirklich, aber er ist einfach nötig um an die interessanteren Themen zu kommen. Small Talk überbrückt nur die Zeit bis man sich wohl genug fühlt oder sich gut genug kennt. Dann kommt man zum Kern.

Das ist so einfach wie logisch. Wenn Small Talk wirklich so funktionieren würde, dann könnte ich mich mit dem Konzept anfreunden. Ein höfliches Vorgeplänkel bevor die philosophischen Fragen in den Diskurs kommen. Wieviel könnte eine Gesellschaft erreichen die so miteinander interagiert.

In der Realität ist der Übergang aber fließend bis nicht vorhanden. Wie ich vom gebrauchten Kaffeeautomaten “soo überlebenswichtig” zu einer Bar komme, in der Wochenendpendler recht aufdringlich sind ist eine Frage für sich. Interessant ist das aber beides nicht. Das Problem ist eben die Perspektive. Was interessant ist bestimmt jeder selber und wie wir wissen ist der Mensch ein abscheulich egoistisches Tier.

So wurde aus dem alten Ritual, den Urlaub per Diaprojektor langweilig zu machen, das neue Ritual den Urlaub im Small Talk bis zum Quadrat auszutreten. Im Small Talk legt man auch dar wie man so ist “das habe ich mir von den afrikanischen Straßenhändlern aber nicht gefallen lassen”, oder auch nicht “da habe ich Trinkgeld gegeben, so kleinlich bin ich ja nicht”. Mein Problem ist, dass ich bei solchen Monologen (hiess es nicht Small Talk) nicht die Fa­çon wahren kann. Das lässt mich überheblich wirken wenn meine Gestik und Mimik die innere Agonie wiederspiegelt.

Das ist nervig, immer in diesem Mikrokosmos aus Alltagsbarbaritäten navigieren zu müssen, wenn man möchte das andere einen interessant finden. Dabei reden sie ja die ganze Zeit, nicht ich. So finden sie letztendlich nur ihre eigenen Geschichten interessant und den Fakt das man sie brav abgenickt hat. Gut zuhören können nennt sich dieser Softskill heutzutage im Managerdeutsch.

Würden sich doch nur alle an die Regeln halten. Dann wäre der Urlaub in ein paar Sätzen abgehakt und man könnte in aller Sachlichkeit diskutieren. Wieviel würden wir als Menschheit dann schaffen.

Mozartkugeln in der Deutschen Bahn

Die erste Durchsage gab es gerade mal fünf Minuten, nachdem ich eingestiegen war. Zug stand noch. In schmerzhaft gebrochenem Deutsch quälte sich ein junger Mann duch die Ansage, dass es noch einige Minuten dauern würde, bis wir abfahren. Die zweite kam dann kurz nach Abfahrt. Ein Baum sei auf den Gleisen. Die Weiterfahrt verzögere sich.

Wir standen inzwischen aber irgendwo in der Pampa, nur eine elende kleine Tankstelle gegenüber der schimmeligen Bauruine, die man dortzulande einen Bahnhof schimpft. Da wollte sich der Lokführer etwas beliebter machen und kündigte an, es seien noch 15 Minuten bis Abfahrt. Man könne gern kurz aussteigen. Er würde niemanden vergessen.

Tatsächlich waren alle sichtlich aufgeheitert, und mir kamen Bedenken, den armen Mann nur wegen mangelnder Sprachkenntnisse für einen schlechten Ansager gehalten zu haben. Vielleicht konnte er das durch Zuvorkommen und Humor ja ausgleichen.

Nach kurzer Debatte beschlossen die beiden Backpacker-Mädels neben mir, dass eine von Ihnen kurz zur Tankstelle stiefelt, um Mozartkugeln zu kaufen. Es sind keine sieben Minuten vergangen und Sie ist gerade auf dem Rückweg, da piepst es fröhlich aus den zuginternen Lautsprechern und der Blechwurm rollt los. Fassungslos starren sich die Backpackerinnen durch das regenverschmierte Seitenfenster an. Im Augenwinkel sehe ich eine Packung Mozartkugeln still zu Boden fallen.

Sofort stürmt die im Zug Hinterbliebene nach vorne in Richtung Fahrer, kommt jedoch nach einigen Minuten erfolglos zurück. Fast schon lustig wäre das, meint sie. Finde ich irgendwie gar nicht. Am nächsten Bahnhof schleift sie zwei mannsgroße Säcke aus dem Zug, die offenbar mit Backsteinen gefüllt sind. Zurückfahren will sie, um Ihre Kollegin abzuholen.

Würde mich natürlich alles viel wütender machen, wenn ich direkt betroffen gewesen wäre. Ich hätte aber vermutlich auch einfach die Notbremse gezogen und der hirnamputierten Dampfnudel von Lokführer ausführlich erklärt, was für ein Totalversager er ist, und da halte ich meinen Standpunkt für recht solide.

Liebe Deutsche Bahn. Erhöht doch Euer Anforderungsprofil dahingehend, dass Eure Mitarbeiter die eckige Form nicht immer wieder in die runde Öffnung schieben wollen. Nur so ein Gedanke.

Edward Snowdens Prism

Ich bezweifle, dass Stuttgarts Wutbürger wirklich alle vom neuen Bahnhof betroffen sein werden. Manche sind sicherlich einfach nur auf die Straße gegangen, weil sie genug hatten, weil sie es nicht mehr ertragen mochten. Ganz so geht es im Moment einer breiten Bevölkerungsschicht in Ägypten… zum zweiten Mal. Nur den Amerikanern, Briten und Franzosen geht es noch nicht wirklich so.

Dabei hat die westliche Welt nach den Enthüllungen Edward Snowdens doch allen Grund dazu. Effektiv leben wir in ܜberwachungsstaaten, die frühe Science Fiction Entwürfe noch übersteigen. Bevor die Kelle jetzt aber allzu grob wird: Totalitär sind unsere Demokratien nicht. Wir stehen den Science Fiction Visionen dann doch auch noch in einigen Dingen nach.

Dennoch haben wir fast 24 Stunden am Tag Smartphones, Tablets, Laptops, PC’s und Konsolen in unserer Nähe. Die meisten Geräte haben Internetzugang, Mikrofone und Kameras. Ob uns diese Geräte das Leben erleichtern, oder es im Endeffekt nur oberflächlicher machen und uns durchsichtiger, ist die Frage. Nichts desto Trotz haben wir uns so sehr aNetworkn diese Geräte gewöhnt. An die Datenkraken wie Google und Co. die mit diesen Geräten ins Haus fallen. Damit haben wir Überwachung nicht nur das Tor geöffnet sondern uns auch daran gewöhnt. Diese Art der Überwachung zeigt gern ihre nützlichen Seiten während die Schattenseiten nicht so offensichtlich sind.

Und so hat das viel beschworene Social Web, gehyptes Medium der Freiheit und des arabischen Frühlings vor allem eins erreicht. Es hat Geheimdiensten und Regierungen den Weg aus einer der schlimmsten Glaubwürdigkeits- und PR-krisen geebnet, die mit Snowden hätte angestoߟen werden können. Firmen wissen alles über uns, warum nicht auch die Geheimdienste. Aufpassen was wir sagen müssen wir ohnehin, können unbedacht hochgeladene Inhalte auf Facebook, Twitter und Co. doch einen negativen Eindruck auf (potentielle) Arbeitgeber machen.

Wir haben mit Prism etc. eben nicht die Zustände wie in Ągypten. Oder wie in Stuttgart einen physischen Stein des Anstoߟes. Wir sind alle direkt betroffen, teils bis in die intimsten Details. Doch merken tun wir davon im Alltag herzlich wenig wenn sich ein Geheimdienst unsere Skypeunterhaltungen vornimmt. Deswegen geht niemand auf die Straߟe. Kaum einer fühlt sich direkt betroffen und belästigt. Selbst wenn, von wem überhaupt? Es scheint kaum etwas greifbar zu sein.

Sollte uns das hindern? Nein, Regierungen die soetwas zulassen sind sehr wohl fassbar, zumindest beim Wählen. Enden wir mit Network: “I’m mad as hell and I’m not going to take this anymore!

Anführungsstriche

Mein “Nachbar” ist gestorben. Daran kann ich nichts ändern, die Anführungszeichen sind es, die mich daran stören. Er hat nicht auf der gleichen Etage gewohnt, nur im gleichen Haus. Eigentlich nur eine Etage drunter. Da sollte man sich schon Mal über den Weg laufen denkt man. In den paar Jahren die ich nun hier wohne habe ich den Mensch kein einziges Mal gesehen, jedenfalls nicht bewusst. Das machte ihn zu meinem “Nachbar” anstatt das er mein Nachbar war. Einige in dem Haus in dem ich wohne sind “Nachbarn”. Da bin ich auch kein Einzelfall. In der Stadt lässt es sich leicht für sich leben, ohne andere Existenz allzu sehr zu streifen.

Der Mann der mein “Nachbar” war hat das zumindest einmal nicht gemacht. Er hat einen Unfall auf der Autobahn gesehen und ist nicht vorbeigezogen. Stattdessen hielt er auf dem Seitenstreifen und jemand rast ihm von hinten drauf, Ende. Und da wir so effizient aneinander vorbeigewohnt haben, weiß ich noch nicht mal wer sich da für einen anderen riskiert und verloren ging. Das Leben mag die besten Geschichten schreiben, aber es schreibt auch eine Menge Müll über die ich mich den ganzen Tag aufregen könnte. Könnte, wenn ich die Protagonisten kennen würde.

Schwarz, Braun, Goldgelb

Einer der Gründe, warum ich mir keinen Hund anschaffe, ist der Kot. Besonders die weitestgehend grünbefreiten Innenstädte bilden eine recht mäßige Kotentsorgestelle. Das merke ich tagtäglich auf dem Weg zur Arbeit. Es gibt nichts Besseres um Montagsmorgens wach zu werden als auf dem Weg zum Bahnhof die leichte Note von Braun No 5 in der Nase zu haben. Nur weil die Straße mit Bäumen gesäumt ist, welche ebenerdig in bürokratischer Rechteckigkeit den Asphalt unterbrechen, heißt das noch lange nicht, dass keine Kottüten zum Einsatz kommen müssen. Darauf hätte ich im Übrigen erst recht keine Lust, mit betüteter Hand in die warmen Hundeexkremente zu greifen. Das ist aber keine Entschuldigung für tatsächliche Hundehalter, sondern lediglich ein Argument gegen Hunde in Innenstädten.

Zuweilen geht es mit den schwarzen Tüten aber auch schief. Wie das Exemplar direkt hinterm Bahnhof zu erzählen weiß. Vor circa einer Woche muss jemand diese 1-Kilogramm-Tüte mit 2 Kilogramm Inhalt dort “vergessen” haben. In den nächsten drei Tagen verbreitete sich der Inhalt unter Tarnung von Schnee auf dem Gehweg. Dann schritt ein Genie daher und legte eine Bananenschale genau auf den schrumpfenden Haufen. Wieder einer dieser Alltagsbanksy’s, die für immer unerkannt bleiben werden. Die Sinnbilder Hundekot/Bananenschale auf Gehsteig als Tretmine des Alltags. Ich wünschte ich:
A. wäre selber darauf gekommen.
B. hätte das nie gesehen.

Inzwischen hat sich die Tüte um einen Poller gewickelt und der Rest ist überall verteilt. Ich wünschte die Leute würden das nicht als Negativbeispiel für Hunde auffassen. Die können ja nichts dafür. Vielmehr sollten wir das als Negativbeispiel für Menschen auffassen, die Hunde in Innenstädten halten.

Akademikerromanze

Arbeitslos ist sie jetzt, das erklärt die übergewichtige Punkerin mit der abgebrochenen ErzieherInnen Ausbildung ihrem ebenso übergewichtigen Schulfreund, den sie gerade zufällig im Supermarkt wiedergetroffen hat. Ich bin auch da und höre schon eine Weile zu, ich kaufe Äpfel. Da bin ich pingelig, soll ja nicht aussehen als wären die vom Nachbarn geklaut. Schön rund und rot und ganz ohne Druckstellen sollen sie sein, fast so wie die Punkerin.

Sie kauft keine Äpfel, sondern Snickers. Auf Bachelor [sic] würde sie jetzt studieren wollen. Er studiert schon. Eine Mischung aus Chemie, Design, Lebensmitteltechnologie und Maschinenbau wäre das. Wie der Studiengang heißt, das weiß er gar nicht so genau. Ich halte mich weinend an einem Apfel fest.

Ob er denn eine Freundin hätte, leitet sie geschickt über. Ohne seine Antwort abzuwarten; ob denn da auch Frauen wären, in seinem Studiengang. Schon einige. Auch Hübsche? So zwei etwa. Dann würden sie sich ja bald mal an der Uni sehen. Lehrerin will sie werden, das erfahre ich noch auf dem Weg zur Milch. Die Fächer bekomme ich nicht mit, aber die interessieren sie auch eigentlich gar nicht. Aber ist doch geil, mal ein bisschen Studieren, und Lehrer sein sicher auch.

Zwei junge Akademiker, die dabei sind, sich zu verlieben. Schön ist das.

Für ein Fettverbot im ÖPNV

Seit einiger Zeit schon ist ja nun Rauchen an vielen Orten verboten. In Amerika darf man in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken. Neulich hat sich im Bus jemand neben mich gesetzt, der war so fett, dass ich vor lauter Unbehagen beinahe aufgestanden wäre, denn lieber hätte ich gestanden. Hab ich dann aber nicht gemacht, weil das etwas unhöflich ist, dachte ich mir. Und das hat mich dann ziemlich geärgert.

Wenn er gestunken hätte bis zum Himmel, nach 3 Tage lang Wodka-RedBull etwa, dann wäre das nicht unhöflich gewesen. Darf auch keiner im ÖPNV rauchen, weil das die anderen Fahrgäste stört. Nicht mal Musik hören oder Döner essen darf man in den meisten Bahnen. Aber fett sein, das darf man.

Übergewicht ist mindestens so ungesund wie Rauchen oder Saufen, aber so verpöhnt ist es lange nicht. Echtes Übergewicht los zu werden ist sicher kein Klacks, aber trocken bleiben ist vermutlich schwieriger. Das Rauchen aufzugeben ist auch keine leichte Sache. Aber so einen Kettenraucher mit schleimigem Krebshusten oder ein Säufer, bei dessen Gestank euch die Tränen kommen, den hat niemand gern. Da darf der Ekel das Mitleid überwiegen, ohne dass man politisch unkorrekt ist.

Aber auf Fettberg Mc’Speckschwate muss ich Rücksicht nehmen und ihn so akzeptieren, wie er ist. Aber warum! Ist doch überhaupt nicht gut, so fett zu sein, und man kann es ja ändern! Warum hat unsere Gesellschaft solche Schwierigkeiten, das zuzugeben?

I've done everything to lose weight - except for a proper diet and exercise.

Da gibt es immer noch die Haarspalterei, dass manche Leute ja nichts für ihr Gewicht können, weil’s von irgendeiner Krankheit kommt. Es gibt auch genetische Prädisposition zur Nikotin- und Alkoholsucht. Das interessiert aber auch keinen, weil es halt nun mal echt selten ist.

Die meisten Leute mit Übergewicht haben es, weil sie Dreck fressen und sich nicht bewegen und es dann nicht auf die Reihe bekommen, etwas zu ändern, wenn sie immer fetter werden.

Mikrofrieden

Wie schnell unsere Welt doch geworden ist. Auf einmal ist man Friedensnobelpreisträger. Nicht alleine natürlich, immerhin hat ja die Europäische Gemeinschaft den Preis bekommen. Generation um Generation hat und wird sich für den Frieden in Europa einsetzen. Als Europäer gehöre ich dazu und trage somit einen winzigen Teil des Preises mit.

Ich habe mich schon oft gefragt, wie es für Menschen nach so einem Preis weitergeht. Eigentlich sollte sich nichts ändern. Doch verleiht so eine Auszeichnung eine gewisse Verantwortung seine Forschung, Projekte, Politik oder moralische Haltung fortzusetzen.

Als Mikro-Friedensnobelpreisträger frage ich mich also kritisch, wie schnell die Welt doch geworden ist. Gestern hörte ich von Dingen die in Mali passieren, heute sprechen die Medien vom Beginn des Bodenkriegs (der Franzosen) oder blutigen Geiselbefreiungen in Algerien. Die Europäische Gemeinschaft steht geschlossen hinter Frankreich, Deutschland hilft mit Transportmaschinen aus. Denkt man aus dem Blickwinkel eines zusammenwachsenden Europas ist es auch kaum mehr ein Unterschied, ob man Truppen hinschickt oder die der anderen transportiert. Vielleicht ist das Truppenkontingent für dieses Quartal mit den Patriot-Batterien an der syrischen Grenze aber auch schon ausgeschöpft?

Überraschend wie schnell Europa inzwischen reagieren kann, wenn es außerhalb seiner Grenzen Funken schlägt. Ob das im Falle von Libyen oder Mali moralisch gerechtfertigt war/ist, kann schwerlich mit einem einfachen Ja oder Nein beantwortet werden. Legt man die Schablone vergangener Jahrhunderte auf die heutige geopolitische Landschaft, so fällt auf, wie nahe diese Einsätze an alten Seilschaften verlaufen. Vorschläge zur Bürgerkriegskrise in Syrien prallen regelmäßig am alten Freund Russland ab. Mali ist erst seit 1960 unabhängig von Frankreich. Generell ist die Nordküste von Afrika ja nicht nur zwischen 1940-1943 interessant für Europa gewesen.

Dieser Neokolonialismus ist zumindest nicht mehr auf Territorium, Bodenschätze oder einen Platz an der Sonne ausgerichtet. Dafür fehlt ihm leider an Nachhaltigkeit. “Schnell rein, schnell wieder raus” ist die Devise bei all diesen Einsätzen, selbst in Afghanistan, wo eine Dekade Präsenz ohne nachhaltige Entwicklung auch nicht viel bringt. Stattdessen herrscht (Geo)politische Kurzsichtigkeit, die nur Mikrofrieden bringt.

Orgelpfeifen

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass sich der recht bekannte (manche würden sagen renommierte, ich nicht) Kriminologe Christian Pfeiffer und die katholische Kirche zerworfen haben. Geplant war eine umfangreiche Studie zu Missbrauchsfällen in Einrichtungen der Kirche. Nun gibt es zwischen beiden Akteuren die guten alten unüberbrückbaren Differenzen. Die Kirche, allen voran die Diözesen München und Freising pochten nach Pfeiffers Aussage auf umfassende Zensurrechte. Im Tenor der Kirchenvertreter wird hingegen das Bild von Pfeiffer als Streithahn gezeichnet.

Auf Spiegel Online gab es zu dieser Sache ein Interview mit Bischof Stephan Ackermann, nach dessen Lektüre ich gerne gelacht hätte. In Anbetracht dessen wer hier die Leidtragenden sind, bin ich doch lieber wütend geworden:

SPIEGEL ONLINE: Einer der Streitpunkte war, dass die Bischöfe unbedingt ihre Sicht der Dinge in Pfeiffers Abschlussbericht veröffentlicht sehen wollten.

Ackermann: Bei einem Bericht geht es ja nicht nur um Statistiken und Zahlen, sondern auch um eine Deutung: warum etwas passiert ist. Deswegen gab es einen Projektbeirat, der vermerkt haben wollte, wenn er etwas anders sieht. Da ging es nicht um eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, sondern nur um die Darstellung einer abweichenden Meinung, wenn es sie denn gibt.

In einem anderen Interview erklärte Pfeiffer dem Deutschlandfunk die Vorgeschichte aus seiner Sicht. Demnach bestand die Kirche während der Studie plötzlich auf eine Prüfung aller Texte der Studie, sowie dem Recht Veröffentlichungen zu verbieten. Der Kriminologe schlug im Gegenzug vor, das der Kirche Platz für Stellungnahmen eingeräumt werde. Diese müssten freilich sichtbar gekennzeichnet sein. Ist ja schön das sich die Kirche auch mal im wissenschaftlichen Diskurs versuchen will.

Vielleicht sollte sie sich da zuerst ein paar Tipps holen, wie man das macht. Leihenwissenschaftler erkennt man ganz gut am Ungleichgewicht zwischen Behaupten und beweisen. Da ist die katholische Kirche ja generell ganz gut drin, im Behaupten. Vielleicht haben sie sich von Herrn Guttenberg beraten lassen?

Generell ist der Dilettantismusfaktor bei diesem Projekt maximiert (Oh, hätte ich fast vergessen: Soll schöne Grüße vom Willy Brandt Flughafen Berlin-Brandenburg bestellen!). Ackerman räumt ein, dass es bei der Auswahl des Partners für die Studie schnell gehen musste. Wer passt da besser als Christian Pfeiffer, der in puncto Medienwirksamkeit sowieso immer als Erster auf der Matte steht. Zumal auch Herr Pfeiffer ganz groß im Behaupten ist und es mit dem Beweisen nur bedingt hat (siehe “Fall Sebnitz” etc.).

Was lernen wir über systematischen Missbrauch in Kircheneinrichtungen wenn sich zwei Pfeifen zum Orgelspielen treffen? Peinlich wenig.